In der GOST belegen die Schülerinnen und Schüler einen zweijährigen Seminarkurs, in dem überfachliche Kompetenzen gefördert und gefordert werden sollen. Exemplarisch wird an ausgewählten Fachinhalten wissenschaftspropädeutische Bildung vermittelt bzw. Berufswahl‐ und Berufsweltkompetenz entwickelt.
Der Link zur Publikation des LISUM "Handreichung „Hinweise zum Unterricht. Der Seminarkurs in der gymnasialen Oberstufe“ https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/fileadmin/bbb/themen/berufs-_und_studienorientierung/seminarkurs/Seminarkurs_ergaenzte_Fassung_Januar_2015.pdf
Seminarkurs 1: Astronomie und Raumfahrt (Herr Pagenkopf)
Im Seminarkurs Astronomie und Raumfahrt vertiefen wir zunächst die Newton’sche Mechanik des Physikunterrichtes der Oberstufe. Wir wenden die Kepler’schen Gesetze an und berechnen die verschiedenen kosmischen Geschwindigkeiten. Die Erdbahnellipse sowie die Bahnen anderer Himmelskörper werden durch die Definition von Bahnelementen eindeutig beschrieben. Die Planetendefinition führt uns zum Aufbau, zur Entstehung und zur Entwicklung unseres Heimatsonnensystems. Unsere kosmischen Nachbarn im All lernen wir genauer kennen. Die am Herbstanfang 1846 in Berlin erfolgte Entdeckung des Planeten Neptun zeigt uns die Verzahnung von theoretischer und experimenteller Astronomie auf.
Die moderne astronomische Forschung setzt Weltraumteleskope und Raumsonden voraus. Seit 60 Jahren gibt die Raumfahrt hierzu die technischen Möglichkeiten. Wir beschäftigen uns mit der Geschichte der Raumfahrt, hierbei wird in Bezug auf den Kalten Krieg auch eine Fächerverbindung zum Fach Geschichte hergestellt. Besonders interessieren uns hierbei die Raumfähren SpaceShuttle und Buran sowie Raumstationen und die Zukunft der Raumfahrt.
Die Himmelsscheibe von Nebra bringt uns über unser Sonnensystem hinaus zu den Sternen, Sternassoziationen und Galaxien. Wir lernen uns am Nachthimmel zu orientieren und die Sternbilder zu benennen. Ihre mythologische Bedeutung interessiert uns ebenso wir der kosmische Kalender für das bäuerliche Jahr. Die Entstehung von Sternen, deren Lebensweg und ihre Endstadien zeigen uns die Herkunft der chemischen Elemente auf. Mit der Kosmologie erschließen wir die übergeordneten Strukturen und die Zukunft des Alls.
Der Seminarkurs Astronomie und Raumfahrt wird durch zahlreiche nur im Rahmen des Schulunterrichtes durchführbare Exkursionen bereichert. Neben Beobachtungen des Sternhimmels von Babelsberg aus besuchen wir die Potsdamer und Berliner Planetarien und Volkssternwarten. Das Leipniz-Institut für Astrophysik in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserer Schule wird mehrmals im Laufe des zweijährigen Kurses besucht. Geschichte und Technik der Raumfahrt bestaunen wir im Historisch-technischen Museum Peenemünde und im Technikmuseum Speyer. Die Himmelsscheibe von Nebra erleben wir im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle und in der Arche Nebra. Ein sehr ambitioniertes Ziel ist ein Parabelflug, bei dem erstmals Schulunterricht mit Experimenten in der Schwerelosigkeit durchgeführt wird.
T. Pagenkopf
Seminarkurs 2: Europäische Identitäten (Dr. Rathmann)
Die Europäische Union stehe am Scheidewege, liest man derzeit oft. 27 souveräne Staaten sind zu einem supranationalen Staatenbündnis zusammengeschlossen, das wichtige Entscheidungen einstimmig treffen muss. Alle berufen sich auf die sog. westlichen Werte – u.a. Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung oder Menschenrechte. Aber einig ist man sich selten. Gibt es am Ende überhaupt eine gemeinsame europäische Identität?
Wie steht es um die Akzeptanz der EU in der Bevölkerung? Eine Europäische Union, deren Bürgerinnen und Bürger, ja deren politische Repräsentanten sich auf Dauer verweigerten, eine gemeinsame politische Identität auszubilden, böte unkalkulierbare Gefahren. Wie stabil wäre auf Dauer dieses politische Bündnis?
Zeit also, sich über Europa Gedanken zu machen, über die Konstrukte europäischer Identitäten nachzudenken, über deren Wurzeln, deren Ausprägungen in den verschiedenen Ländern, deren Chancen und Risiken: Darum geht es in diesem Seminarkurs der Schuljahre 2020/21 und 21/22.
Dr. Thomas Rathmann
Seminarkurs 3: Shakespeare
„All the world’s a stage – and all the men and women merely players”
(As You Like it, Act II, Scene 7)
Nun, meist ist die Schule keine Theaterbühne – obwohl Ähnlichkeiten durchaus vorhanden sind. Im Seminarkurs „Shakespeare“ jedoch ist es das Bestreben der 10 TeilnehmerInnen und natürlich auch der Kursleiterin, diese Bühne öfter mal in der Schule stattfinden zu lassen, besonders wenn wir im weiteren Sinne „Bühne“ auch als „Filmbühne“, also Dreharbeiten, definieren. So kam es schon zu kreativ-zeitgemäßen filmischen Interpretationen des Kennenlernens von Romeo und Julia, die spannende Facetten der allseits nur zu bekannten Konstellation beleuchteten.
Andererseits versteht man den Barden nicht, ohne seine Zeit mit ihren künstlerischen, philosophischen und geschichtlichen Implikationen zu beleuchten. Und erst sein Werk – so viele aufregende, komplexe, faszinierende Charaktere, spannende Geschichten, witzige Wortspiele – der Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt.
Wer weiß, was wir alles aus diesem Kurs noch machen – werden wir spielen, werden wir der Schule zeigen (dürfen?), welch Reichtum an Geschichten Shakespeare uns hinterlassen hat? Werden wir uns mit den Seminararbeiten einreihen in die kilometerlangen Regale mit klugen Gedanken zu Shakespeare?
„Proceed, proceed. – We will begin these rites
As we do trust they’ll end, in true delights.” (As You Like It, Act V, Scene 4)
Silvia Twardawa-Lüth
Seminarkurs 4: Philosophie
Der Ausspruch „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ wurde von Sokrates (469-399 v. Chr.) überliefert, jenem Philosophen, der die Philosophie als „Hebammenkunst“ beschrieb, weil er seinen Schülern die Erkenntnisse durch geschicktes Fragen entlockte. Die vorhandenen Haltungen und Überzeugungen der Schülerinnen und Schüler bilden in diesem Sinne die eine Grundlage des Kurses. Das entspricht der Aufforderung Immanuel Kants (1724-1804), der schrieb: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“
Das andere Fundament sind die Argumente und Ideen der klassischen und modernen Philosophen, deren Gedanken nach Kant als Antworten auf folgende Fragen zusammengefasst werden können: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch? Der Philosophie-Seminarkurs hat die Schwerpunkte Ethik (Was soll ich tun?) und Philosophische Anthropologie (Was ist der Mensch?), die gut anschlussfähig sind an Diskussionen aus anderen Schulfächern. Dabei wird der Schritt gegangen von moralischen Überzeugungen zu ethischen Theorien, von religiös und mythologisch überlieferten Menschenbildern zu wissenschaftlich fundierten, aber nicht weniger kontroversen Auffassungen.
In der Auseinandersetzung mit konträren Positionen aus der Philosophiegeschichte sollen die Schülerinnen und Schüler ihre Argumente schärfen und eigene Überzeugungen auf eine breitere Grundlage stellen. Aus der Grundhaltung des Staunens und Infragestellens lernen sie ihre Ideen zu strukturieren und aufgestellte Hypothesen zu prüfen. Entsprechend der Offenheit des Faches Philosophie werden die erlernten Techniken wissenschaftlichen Arbeitens abschließend in der Seminararbeit auf eine breite Palette selbstgewählter Themen angewendet, die entsprechend der an der Praktischen Philosophie orientierten Schwerpunkte des Kurses lebenspraktische oder gesellschaftlich relevante Bezüge aufweisen sollen.
Dr. Jorma Lünenbürger